Im Jahr 2022 wurden 72 % mehr orale Tumortherapeutika zulasten der GKV abgegeben als im Jahr 2013.
01.08.2023 Gradl G
Foto: ABDA

Die Behandlung von Patienten mit oralen Tumortherapeutika wird insbesondere durch die Entwicklung zahlreicher neuer Proteinkinasehemmer und anderer Inhibitoren von Botenstoffen mit antineoplastischer Wirkung, wie z. B. dem poly-Adenoindiphosphat-Ribose-Polymerase Inhibitor Olaparib, immer wichtiger. Zudem wird es immer bedeutsamer, von dieser Therapie Betroffene intensiv zu informieren und zu begleiten. Während klassische Zytostatika selten im häuslichen Umfeld, sondern überwiegend in der Klinik oder in der Praxis verabreicht werden, nehmen Krebspatienten die oralen Tumortherapeutika selbstständig zu Hause ein. Ärzt*innen und Apotheker*innen kommt damit eine wachsende Verantwortung für die entsprechende Beratung zu [1, 2]. Individuelle Einnahmepläne müssen mit den Betroffenen ebenso besprochen werden wie detaillierte Anweisungen zum Umgang mit den Medikamenten, wie z. B. Informationen zur Einnahme, zur Dosierung, zur Aufbewahrung, zu möglichen Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Nahrungsmitteln [2, 3]. Denn bei diesen Arzneimitteln können gegebenenfalls lebensbeeinträchtigende Nebenwirkungen eintreten [4]. Eine mangelhafte Therapietreue kann bei der Anwendung oraler Tumortherapeutika ebenso zu Problemen führen wie ein „Übergebrauch“, also eine Einnahme, die länger, häufiger oder in höheren Dosen erfolgt als verordnet [5]. Mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) haben Patienten mit oraler Antitumortherapie Anspruch auf eine entsprechende Beratung in und Betreuung durch öffentliche Apotheken, die als eine der honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen seit 2022 angeboten wird. 
Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI) hat die Absatz- und Umsatzzahlen zu den Abgaben von oralen Tumortherapeutika zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in öffentlichen Apotheken zuletzt für den Zeitraum 2013 bis 2017 ermittelt [6]. In einer neuen Analyse wurden die entsprechenden Werte für den Zehnjahreszeitraum 2013 bis 2022 analysiert (siehe Tabelle). Der Absatz stieg in diesem Zeitraum um 72 % von 1,71 Millionen Packungen in 2013 auf 2,94 Millionen Packungen im Jahr 2022. Den größten Zuwachs hatten hierbei die Immunsuppressiva (+ 350 %, von rund 32 Tsd. auf 146 Tsd. Packungen pro Jahr) und die Proteinkinaseinhibitoren (+ 234 %, von rund 213 Tsd. auf 713 Tsd. Packungen pro Jahr). Die Steigerung des Absatzes der Hormonantagonisten (+ 44 %, von rund 1,06 Mio. auf 1,52 Mio. Packungen pro Jahr) trug aufgrund des großen Absatzvolumens ebenfalls stark zum Zuwachs bei. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der Gebrauch von oralen Tumortherapeutika und damit auch der Beratungs- und Betreuungsbedarf in öffentlichen Apotheken bei diesen Arzneimitteln in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen hat.


[1]    Universitätsklinikum Erlangen. AMBORA: Arzneimitteltherapiesicherheit bei oraler Tumortherapie Kompetenz- und Beratungszentrum. www.ccc.uk-erlangen.de/beratung/orale-tumortherapie-ambora/ (letzter Zugriff: 22.03.2023
[2]    Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums: Orale Tumortherapie: Wachsender Beratungsbedarf bei Krebspatienten. www.krebsinformationsdienst.de/fachkreise/nachrichten/2018/fk16-steigender-absatz-orale-tumortherapeutika-krebs.php (letzter Zugriff: 21.03.2023)
[3]    Schlichtig K, Dürr P, Cuba L, Fromm M, Dörje F. Die AMBORA-Studie: Ein Versorgungsforschungsprojekt zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) bei mit neuen oralen Antitumor-Wirkstoffen behandelten Patienten. Onkologische Pharmazie. 2021; 23 (3): 28.
[4]    Rothermundt C, Haefner M, Margulies A, Rieder E, Zavadova V. Adhärenz und Sicherheit bei oraler Tumortherapie. Schweizer Krebsbulletin. 2019; (4): 318.
[5]    Partridge AH, Avorn J, Wang PS, Winer EP. Adherence to therapy with oral antineoplastic agents. JNCI. 2002; 94 (9): 652.
[6]    Gradl G, Kieble M. In den Jahren 2013 bis 2017 hat der Absatz oraler Tumortherapeutika um 18,4 % zugenommen. www.dapi.de/aktuelles/zahl-des-monats/in-den-jahren-2013-bis-2017-hat-der-absatz-oraler-tumortherapeutika-um-184-zugenommen-1. (letzter Zugriff: 21.03.2023)