Im vergangenen Jahr waren knapp 31 Mio. Packungen der zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Arzneimittel temperaturempfindlich. Als temperaturempfindlich sind Arzneimittel definiert, welche im Kühlschrank gelagert werden müssen oder im Fall der kühlkettenpflichtigen Arzneimittel über die gesamte Lieferkette, d. h. vom Hersteller über den Großhandel und die Apotheke bis zur Anwendung am Patienten, ohne Unterbrechung im vorgeschriebenen Temperaturbereich gehalten werden müssen [1]. Zu den kühlpflichtigen Artikeln gehören u. a. Biologika, Insuline, GLP1-Analoga und Impfstoffe [2, 3].
Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e.V. (DAPI) hat untersucht, bei welchen therapeutischen Hauptgruppen im Jahr 2021 am häufigsten kühlpflichtige Fertigarzneimittel, inklusive kühlkettenpflichtiger Arzneimittel, in öffentlichen Apotheken abgegeben wurden. Des Weiteren wurde analysiert, wie sich diese Abgaben gegenüber den Jahren 2020 und 2019 verändert haben. Im Jahr 2021 wurden 30,9 Mio. Fertigarzneimittelpackungen abgegeben, die Kühlartikel waren. Dies entspricht 4,7 % der insgesamt 662 Mio. abgegebenen Packungen. Das war keine wesentliche Veränderung gegenüber dem Vorjahr (31,2 Mio. von 657 Mio. Packungen, 4,8 %). Eine Steigerung der Abgaben von Kühlartikeln war von 2019 bis 2021 insbesondere bei den Antihämorrhagika (10-fach von 29 Tsd. auf 300 Tsd. Packungen), den Arzneimitteln mit Wirkung auf die Calciumhomöostase (+ 76 % von 85 Tsd. auf 150 Tsd. Packungen), den Analgetika (+ 54 % von 104 Tsd. auf 160 Tsd. Packungen), den Mitteln bei obstruktiven Atemwegserkrankungen (+ 21 % von 2,49 Mio. auf 3,01 Mio. Packungen) und den Immunsuppressiva (+ 27 % von 1,04 Mio. auf 1,32 Mio. Packungen) zu beobachten (siehe Tabelle).
Die Einführung der Apothekenpflicht für Arzneimittel zur Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie im September 2020 hat zu dem starken Anstieg der Abgaben von beispielsweise Faktor VIII-Präparaten in der Gruppe der Antihämorrhagika geführt [4]. Präparate mit den Peptidwirkstoffen Etelcalcetid (zur Anwendung bei sekundärem Hyperparathyreoidismus) oder Teriparatid (zur Therapie bestimmter Formen der Osteoporose) waren diejenigen in der Gruppe der Calciumhomöostase, die im Jahr 2021 häufiger als in den Vorjahren abgegeben wurden.
Zu den temperaturempfindlichen Schmerzmitteln gehörten Sativex® Spray und Fertigpens mit Antikörpern gegen Calcitonin-Gene-Related-Peptide zur Migräneprophylaxe. Dosieraerosole mit der Wirkstoffkombination Formoterol, Glycopyrroniumbromid und Beclometason trugen zur Absatzsteigerung der Kühlartikel bei. Bei den Immunsuppressiva zählten zu den vermehrt abgegebenen Kühlartikeln z. B. solche mit den monoklonalen Antikörpern Ustekinumab, Vedolizumab, Natalizumab und Secukinumab sowie die TNF-alpha-Inhibitoren Etanercept und Adalimumab.
1 Faktenblatt ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Faktenblatt: Kühllagerung von Arzneimitteln, Stand 22. Juni 2021 https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Faktenblaetter/Faktenblatt_Kuehllagerung.pdf, letzter Zugriff 28.04.2022
2 Schmitz J., Klapper S., Holzgrabe U.: Richtig lagern bei Hitze. Wenn anhaltende Hitzewellen Arzneimitteln zusetzen. Dtsch Apoth Ztg. 2019; 159 (35): 50–58.
3 Dicheva-Radev, S.: Arzneimittel und Hitze: Temperaturempfindlichkeit und richtige Aufbewahrung von Arzneimitteln. Arzneiverordnung in der Praxis. 2020; 47 (3–4): 160–162. https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/2020-3-4/160h/index.php, letzter Zugriff 28.04.2022.
4 Kieble M.: Seit Einführung der Apothekenpflicht vor 6 Monaten wurden bereits 194.000 Packungen Hämophilie-Präparate durch die öffentlichen Apotheken abgegeben. https://www.dapi.de/aktuelles/zahl-des-monats/seit-einfuehrung-der-apothekenpflicht-vor-6-monaten-wurden-bereits-194000-packungen-haemophilie-praeparate-durch-die-oeffentlichen-apotheken-abgegeben?tx_news_pi1%5B%40widget_0%5D%5BcurrentPage%5D=2&cHash=eb1c968172b0db229e72fa0bbd828621, letzter Zugriff 28.04.2022.