Im ersten Quartal 2023 betrug die Rabatterfüllungsquote (nach Packungen) 94 %
01.07.2023 Gradl G Enners S
Grafik: Pranch/Shutterstock.com

Öffentliche Apotheken tun ihr Bestes dafür, bei der Belieferung von Rezepten zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stets Rabattverträge und Wirtschaftlichkeit im Auge zu behalten. Das gilt auch für Ausnahmesituationen wie während der Corona-Pandemie. Am 22. April 2020 traten mit der SARS-CoV-2-AMVersVO Sonderregelungen für den Aut idem – Austausch in Kraft, um die Arzt- und Apothekenkontakte der Versicherten auf die Nötigsten zu verringern und somit das Infektionsrisiko zu minimieren [1]. In einer Analyse zum zeitlichen Verlauf der Rabatterfüllungsquoten im Zeitraum Juli 2019 bis Dezember 2020 hat das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI) gezeigt, dass die Rabatterfüllungsquoten nur einen zeitlich begrenzten Rückgang von geringem Ausmaß verzeichneten [2]. Auch die Abgaben mit dokumentierter „Nichtverfügbarkeit von Rabattarzneimitteln“ und von „dringenden Fällen“ insgesamt betrachtet (Sonderkennzeichen „Abweichende Abgabe“ und Hintergrund 2 oder 4 bzw. 5 oder 6), waren in diesem Zeitraum nur vorübergehend erhöht. Diese Abgaben beinhalteten Fälle, bei denen vorrangig zu beliefernde Arzneimittel nicht verfügbar waren, aber auch (andere) Fälle der Akutversorgung.
Im Jahr 2022 hat ein vermehrtes Auftreten von Lieferengpässen diverser Arzneimittel die Herausforderungen für die Apotheken deutlich vergrößert [3, 4]. Es war zu erwarten, dass sich diese Herausforderungen auch bei den o.g. Kennzahlen bemerkbar machen würden. Das DAPI hat weitere Analysen des zeitlichen Verlaufs der Rabatterfüllungsquoten (siehe Abbildung 1) und der Abgaben mit dokumentierter „Nichtverfügbarkeit von Rabattarzneimitteln“ sowie von „dringenden Fällen“ (siehe Abbildung 2) für den Zeitraum Q1 2021 bis Q1 2023 durchgeführt, um die Entwicklung dieser Kennzahlen zu betrachten. 
Als Rabatterfüllungsquote wurde der Anteil abgegebener Packungen an allen Abgaben im rabattfähigen Markt berechnet. Der rabattfähige Markt umfasste die Abgaben von Fertigarzneimitteln, die entweder rabattiert waren oder für die es ein Rabattprodukt für den Austausch gab und auf deren Verordnung entweder kein Aut idem – Kreuz gesetzt war oder das Aut idem – Kreuz gesetzt war und es sich um eine Abgabe im importrelevanten Markt handelte [5]. Abgaben, bei denen das Sonderkennzeichen „Abweichende Abgabe“ mit den Hintergründen 2, 3 oder 4 (Nichtverfügbarkeit von Rabattarzneimitteln oder Importarzneimitteln) dokumentiert war, wurden für den rabattfähigen Markt nicht berücksichtigt. 
Bei der Ermittlung der Abgaben mit nicht verfügbaren Rabattarzneimitteln bzw. dringenden Fällen wurden diejenigen mit Sonderkennzeichen „Abweichende Abgabe“ mit den Hintergründen 2 (Rabattarzneimittel nicht verfügbar) oder 4 (Rabattarzneimittel und preisgünstige Arzneimittel oder Importe nicht verfügbar) bzw. 5 (dringender Fall und Rabattarzneimittel nicht verfügbar) oder 6 (dringender Fall und Rabattarzneimittel und preisgünstige Arzneimittel oder Importe nicht verfügbar) eingeschlossen. Es wurden nur Abgaben berücksichtigt, bei denen kein Rabattarzneimittel abgegeben wurde, es aber ein Rabattarzneimittel mit gleichen Aut idem – Kriterien gegeben hätte bzw. einen Artikel derselben Importgruppe bei Abgaben im importrelevanten Markt. Die Anteile mit Nichtverfügbarkeit bzw. dringender Fälle wurden bezogen auf alle Fertigarzneimittelabgaben berechnet.
Die Analysen zeigten einen leichten Rückgang der absatzbezogenen Rabatterfüllungsquote von im Mittel 95 % im Zeitraum Q1 2021 bis Q3 2022 auf 94 % in Q4 2022 und Q1 2023. Bei der Ermittlung dieser Quote wurden Abgaben mit Sonderkennzeichen „Abweichende Abgabe“ und Hintergründen 2, 3 oder 4 nicht berücksichtigt.
Der Anteil der Abgaben mit dokumentierter Nichtverfügbarkeit von Rabattarzneimitteln war im Zeitraum Q1 2021 bis Q3 2022 nur moderat von 1,1 % auf 1,8 % der abgegebenen Packungen gestiegen, in Q3 2022 stiegen sie jedoch sprunghaft auf 4,3 % der Packungen an. In Q1 2023 erhöhte sich dieser Anteil weiter auf 5,6 %. Diese Werte stellen kein Maß für Lieferengpässe von Arzneimitteln dar, da sie nur Abgaben repräsentieren, bei denen anstelle des gemäß Rahmenvertrags für die Arzneimittelversorgung vorrangig abzugebenden Arzneimittels eine Alternative gefunden und abgegeben werden konnte. Fälle, bei denen nicht alle vorrangig abzugebenden Arzneimittel nicht verfügbar waren, wurden von der Analyse nicht erfasst. Ebenso nicht erfasst wurden Fälle, in denen aufgrund von Lieferschwierigkeiten gar kein Arzneimittel abgegeben werden konnte und in denen ggf. das Rezept aus diesem Grund auf ein alternatives Arzneimittel bzw. einen alternativen Wirkstoff geändert werden musste.
Der Anteil der Abgaben dringender Fälle, die auch Abgaben der SARS-CoV-2-Sonderregelungen beinhalteten, stieg im Zeitraum nur moderat, von im Schnitt 2,2 % von Q1 2021 bis Q3 2021 auf 2,7 % in Q4 2022 bzw. 2,8 % in Q1 2023. Diese Werte lassen – insbesondere bei Berücksichtigung der viel stärker gestiegenen Abgaben mit der Kennzeichnung „Nichtverfügbarkeit eines Rabattarzneimittels“ auf eine verantwortungsvolle Nutzung der Sonderregelungen durch die Apothekerschaft schließen. Vielmehr zeigen die Analysen die „Spitze des Eisberges“ dessen, was in den öffentlichen Apotheken täglich an Mehraufwand geleistet wird, um Lieferengpässe zu managen, die Versorgung der Patient*innen sicher zu stellen und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit bei der Abgabe von Medikamenten zu berücksichtigen.


Infobox: 

Hintergründe beim Sonderkennzeichen „Abweichende Abgabe“ laut Technischer Anlage 1 zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V, anzuwenden seit 1. Juli 2019 [2]

2 = Nichtverfügbarkeit eines Rabattarzneimittels
3 = Nichtverfügbarkeit eines preisgünstigen Fertigarzneimittels im generischen Markt bzw. Abweichung von der Importabgabe im importrelevanten Markt aufgrund von Nichtverfügbarkeit
4 = Nichtverfügbarkeit eines Rabattarzneimittels und eines preisgünstigen Arzneimittels oder Nichtverfügbarkeit eines Rabattarzneimittels und Abweichung von der Importabgabe

5 = Dringender Fall, wenn nur Rabattarzneimittel nicht vorrätig sind
6 = Dringender Fall, wenn Rabattarzneimittel und preisgünstige Arzneimittel oder Importe nicht vorrätig sind  

[1]    GKV-Spitzenverband, Deutscher Apothekerverband e.V. Vereinbarung zur technischen Umsetzung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 20. April 2020. 2020. www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/arzneimittel/rahmenvertraege/apotheken/2020-04_22_Umsetzungsvereinbarung_SARS-CoV2-AMVersVO.pdf (letzter Zugriff am 9. Mai 2023).
[2]    Pressemitteilung der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Analyse zu SARS-CoV-2-Ausnahmeregelungen: Erleichterter Austausch hilft Millionen Patienten. 12.04.2022 www.dapi.de/aktuelles/pressemitteilungen/abda-analyse-zu-sars-cov-2-ausnahmeregelungen-erleichterter-austausch-hilft-millionen-patienten
[3]    Medikamentenmangel: Apotheken blicken mit Sorge auf Lieferengpässe. Pharmazeutische Zeitung online, 19.11.2022. www.pharmazeutische-zeitung.de/apotheken-blicken-mit-sorge-auf-lieferengpaesse-136833/ (letzter Zugriff am 10. Mai 2023).
[4]    Defekte – Top 10: Die zehn nervigsten Lieferengpässe des Jahres 2022. DAZ.online www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/12/30/die-10-nervigsten-lieferengpaesse-des-jahres-2022 (letzter Zugriff am 10. Mai 2023).
[5]    GKV-Spitzenverband, Deutscher Apothekerverband. Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V mit Stand 1. Oktober 2021 zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, Berlin und dem Deutschen Apothekerverband e. V., Berlin. www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/arzneimittel/rahmenvertraege/rahmenvertraege.jsp (letzter Zugriff 10. Mai 2023).
[6]    Technische Anlage 1 zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V, Version 037. 2022. www.gkv-datenaustausch.de/leistungserbringer/apotheken/apotheken.jsp (letzter Zugriff am 24. Mai 2023).