Seit Einführung der Apothekenpflicht vor 6 Monaten wurden bereits 194.000 Packungen Hämophilie-Präparate durch die öffentlichen Apotheken abgegeben
03.05.2021 - Berlin Kieble M
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Seit dem 1. September 2020 sind Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie apothekenpflichtig. Hintergrund ist das im August 2019 in Kraft getretene Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Durch eine Änderung des §47 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) gilt die bislang geltende Ausnahme vom Apothekenvertriebsweg für Hämophilie-Arzneimittel ab 1. September 2020 nicht mehr. Bis auf wenige Ausnahmen, wie der Notfallversorgung, die nach wie vor durch spezialisierte Hämophilie-Zentren erfolgen kann, erhalten Patientinnen und Patienten mit Hämophilie ihre Arzneimittel nur noch in der Apotheke.

Hämophilie ist eine erblich bedingte Koagulopathie mit erhöhter Blutungsneigung. Die verbreitetsten Arten, die Hämophilie A und Hämophilie B, sind X-chromosomal-rezessiv vererbte Gerinnungsstörungen mit einem Mangel an Gerinnungsfaktor VIII (Hämophilie A) oder IX (Hämophilie B). Das Deutsche Hämophilieregister umfasste im Jahr 2018 ca. 4.200 Patienten mit Hämophilie A und 790 Patienten mit Hämophile B [1].  Patienten werden, abhängig vom Schweregrad der Erkrankung, entweder bei akutem Bedarf oder mit einer Dauertherapie durch Substitution mit Gerinnungsfaktoren behandelt. Hierfür stehen diverse aus menschlichem Blutplasma gewonnene oder rekombinant hergestellte Faktorpräparate zur Verfügung, welche für die Dauertherapie in der Regel mehrmals wöchentlich intravenös appliziert werden müssen.

In den vergangenen Jahren kamen mehrere rekombinante Faktorpräparate mit verlängerter Halbwertszeit auf den Markt, mit denen das Infusionsintervall verlängert oder die Talspiegel erhöht werden können. Während für den Faktor IX eine 4- bis 5-fache Verlängerung der Halbwertszeit erreicht werden konnte, wurde für Faktor VIII-Präparate nur eine etwa 1,5- bis 1,7-fache Verlängerung erzielt [2]. Für die Therapie der Hämophilie A steht zudem seit 2018 ein humanisierter monoklonaler Antikörper (Emicizumab) zur Verfügung, der die Funktion des Faktors VIII nachahmt und im Gegensatz zu den Faktor-Präparaten subkutan appliziert werden kann. Seit seiner Markteinführung wurde er ausschließlich über Apotheken vertrieben.

Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI) hat anhand von Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen ausgewertet, wie häufig Hämophilie-Präparate in den ersten sechs Monaten seit der Gesetzesänderung in öffentlichen Apotheken in Deutschland zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben wurden. Von September 2020 bis Februar 2021 wurden insgesamt ca. 9.000 Verordnungen mit 193.700 Packungen und 211.000 Abgabeeinheiten Hämophilie-Präparate in öffentlichen Apotheken beliefert, wobei 81,3 % der Packungen auf Faktor VIII-Präparate, 9,5 % auf Faktor IX-Präparate, 5,0 % auf sonstige Faktor-Präparate und 4,1 % auf das Antikörper-Präparat Emicizumab entfielen (siehe Grafik). Während bei den Faktor VIII-Präparaten nur 18,5 % der Packungen auf rekombinante Präparate mit verlängerter Halbwertszeit entfielen, waren es bei den Faktor IX-Präparaten 62,2 %.


[1]     Duda H, Hesse J, Haschberger B, Hilger A, Keipert C. The German Hemophilia Registry: Growing with Its Tasks. J Clin Med. 2020;9(11):3408. Published 2020 Oct 24. doi:10.3390/jcm9113408
[2]    Mannucci PM. Hemophilia therapy: the future has begun. Haematologica. 2020;105(3):545-553. doi:10.3324/haematol.2019.232132