Im ersten Halbjahr 2023 wurden 21 % weniger Fixdosiskombinationen für kardiovaskuläre Erkrankungen in öffentlichen Apotheken abgegeben als noch im zweiten Halbjahr 2018.
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In der Primär- und Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommt der Therapietreue eine bedeutende Rolle zu. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Fixdosiskombinationen (FDC), also Präparate, die zwei oder mehr Wirkstoffe enthalten, im Vergleich zu Monopräparaten die Therapietreue verbessern, den Blutdruck und LDL-Cholesterin senken sowie kardiovaskuläre Ereignisse und die Mortalität verringern [1, 2]. Daher empfehlen die aktuellen Leitlinien den Einsatz von FDC in der Primär- und Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen [3, 4].
Frühere Analysen des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts e.V. (DAPI) ergaben, dass Lipidsenker zwischen 2012 und 2021 selten als FDC verschrieben wurden und dass die Verordnung von Antihypertensiva (AHT) als FDC zwischen 2016 und 2020 deutlich zurückgegangen war [5, 6]. Dieser Rückgang war hauptsächlich bei Hydrochlorothiazid (HCT)-haltigen FDC zu beobachten und lag vermutlich in einem Rote-Hand-Brief begründet, welcher im Oktober 2018 über ein mögliches Risiko von nicht-melanozytärem Hautkrebs bei Einnahme von HCT-haltigen Arzneimitteln informierte. 
In einer kürzlich durchgeführten Studie hat das DAPI anhand von Abrechnungsdaten ausgewertet, wie sich der Gebrauch von AHT-FDC (FDC, die nur AHT enthalten), Lipidsenker-FDC (FDC, die nur Lipidsenker enthalten) und von sogenannten Polypillen (FDC, die AHT, Lipidsenker und/oder Acetylsalicylsäure enthalten) im Zeitraum Juli 2018 bis Juni 2023 entwickelt hat. Ausgewertet wurde die Anzahl der in öffentlichen Apotheken zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegebenen definierten Tagesdosen pro 1.000 GKV-Versicherte pro Tag [Defined Daily Doses (DDD) per 1.000 Inhabitants per Day, DID] im Zeitverlauf pro Halbjahr.
Insgesamt zeigte sich über alle FDC ein Rückgang um 21 %, von 77,3 DID im 2. Halbjahr 2018 auf 60,8 DID im 1. Halbjahr 2023 (siehe Grafik). Der Hauptanteil aller FDC entfiel auf die AHT-FDC. Entsprechend war auch hier ein deutlicher Rückgang im Zeitverlauf zu sehen, von 74,1 DID auf 55,0 DID. Wie bereits in der älteren Analyse des DAPI zu beobachten war, zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen AHT-FDC mit und ohne HCT. Während die Abgaben der HCT-haltigen um 39 % zurückgingen, von 61,7 DID im 2. Halbjahr 2018 auf 37,7 DID im 1. Halbjahr 2023, stiegen die Abgaben der AHT-FDC ohne HCT um 40 %, jedoch auf deutlich niedrigerem Niveau von 12,4 DID auf 17,3 DID. Am häufigsten kamen bei letzteren Kombinationen aus ACE-Hemmern bzw. Sartanen mit Calciumkanalblockern zum Einsatz. Eine Auflistung aller auf dem Markt befindlichen AHT-FDC inklusive verfügbarer Wirkstärken ist auf der Homepage des DAPI zu finden (https://www.dapi.de/publikationen).
Lipidsenker-FDC und Polypillen wurden im gesamten Zeitraum nur selten verordnet, ihre Abgaben erhöhten sich im Zeitverlauf jedoch kontinuierlich. Die Abgaben von Lipidsenker-FDC stiegen um 77 %, von 3,1 DID im 2. Halbjahr 2018 auf 5,5 DID im 1. Halbjahr 2023, die der Polypillen um 138 % von 0,11 DID auf 0,26 DID. Die am häufigsten eingesetzte Polypille war die Dreierkombination aus Ramipril, Atorvastatin und Acetylsalicylsäure (Iltria®).
Trotz Leitlinienempfehlungen ist der Gebrauch von FDC bei Bluthochdruck in Deutschland weiterhin rückläufig. FDC mit Lipidsenkern und Polypillen werden zwar zunehmend verschrieben, aber auf deutlich geringerem Niveau. Es sind Strategien erforderlich, um die Verwendung von FDC gemäß Leitlinienempfehlungen zu erhöhen und so die Therapietreue und die Kontrolle von Risikofaktoren zu verbessern.
Die Original-Publikation, welche in Kooperation mit der Klinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums des Saarlandes und der Klinik und Poliklinik für Kardiologie des Universitätsklinikum Leipzig entstanden ist, ist in der Fachzeitschrift „Journal of Hypertension“ erschienen [7] und wurde kürzlich in der Pharmazeutischen Zeitung kommentiert (https://www.pharmazeutische-zeitung.de/fixkombis-empfohlen-aber-kaum-genutzt-148955/).


[1] Schmieder RE, Wassmann S, Predel H-G, et al. Improved persistence to medication, decreased cardiovascular events and reduced all-cause mortality in hypertensive patients with use of single-pill combinations: results from the  START-study. Hypertension 2023; 80: 1127–1135.
[2] Rivera A, Campos B, Ceolin S, et al. Polypill-based strategy vs. usual care for secondary prevention of cardiovascular disease: a meta-analysis of randomized controlled trials. Eur J Prevent Cardiol 2023; 30: 1828–1837.
[3] Visseren FLJ, Mach F, Smulders YM, et al. 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J 2021; 42: 3227–3337.
[4] Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie – Kurzfassung. AWMF Online. www.leitlinien.de/themen/hypertonie. letzter Zugriff 02.07.2024.
[5] Katzmann JL, Kieble M, Enners S, et al. Trends in ezetimibe prescriptions as monotherapy or fixed-dose combination in Germany 2012–2021. Front Cardiovasc Med 2022; 9:912785.
[6] Mahfoud F, Kieble M, Enners S, et al. Use of fixed-dose combination antihypertensives in Germany between 2016 and 2020: an example of guideline inertia. Clin Res Cardiol 2023; 112: 197–202.
[7] Götzinger F; Kieble M; Espinosa Daudì A, et al. Use of fixed-dose combinations for cardiovascular indications from 2018 to 2023: a nationwide population-based study J Hypertens. 2024 Jun 12. Epub ahead of print.