4 Pharmahersteller
01.07.2010 - Eschborn Schüssel K
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Im Jahr 2009 wurde mehr als die Hälfte der Absätze und Umsätze wichtiger generisch verfügbarer Wirkstoffe für gesetzlich Krankenversicherte von nur noch 4 pharmazeutischen Herstellern beliefert.

In den letzten Jahren hat im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) insbesondere die im Jahr 2007 gesetzlich neu geschaffene Möglichkeit zum Abschluss von Rabattverträgen zwischen pharmazeutischen Herstellern und  Krankenkassen zu einer deutlichen Veränderung des Arzneimittelmarktes geführt. Nach ersten Anlaufschwierigkeiten in 2007 wurden in den folgenden Jahren nach und nach immer mehr Rabattverträge abgeschlossen. Sie sind mittlerweile ein seitens der Krankenkassen etabliertes und häufig favorisiertes Instrument zur Realisierung von Einsparpotentialen [1]. Aufgrund mangelnder Transparenz – die Rabattvertragskonditionen sind nur den direkt beteiligten Parteien bekannt – wurde seitens der pharmazeutischen Industrie ein ruinöser Preiswettbewerb befürchtet: Dies werde die kleineren Hersteller benachteiligen und damit zu einer Abnahme der Herstellervielfalt und zur Oligopolisierung führen [2]. Um der Frage nachzugehen, inwieweit sich möglicherweise durch die Einführung von Rabattverträgen die Herstellervielfalt im generischen Markt verändert hat, wurden GKV-Verordnungsdaten der Jahre 2005 bis 2009 ausgewertet. Im generisch verfügbaren Markt wurden die nach Umsatz 100 wichtigsten Wirkstoffe (ATC-Codes, exkl. Impfstoffe), die von 2005 bis 2009 durchgängig auf dem Markt waren, ausgewertet. Diese deckten im Jahr 2009 innerhalb der GKV 24 % der Umsätze nach Taxe und 53 % der Packungen im Fertigarzneimittelmarkt ab. Für die Verordnungen über diese Wirkstoffe wurden jeweils die Marktanteile einzelner Hersteller nach Packungen, Umsatz nach Taxe und Umsatz nach Apothekeneinkaufspreis ermittelt. Es zeigte sich, dass seit dem Jahr 2005 der Marktanteil der jeweils 5 größten Hersteller deutlich zugenommen hat (Abbildung 1), so dass im Jahr 2009 diese Hersteller bereits mehr als 60 % aller abgegebenen Packungen in dem analysierten Marktsegment belieferten. Dabei war die Zunahme insbesondere vom Jahr 2007, als nur wenige Rabattverträge umgesetzt wurden, auf das Jahr 2008, als sehr viele Rabattverträge neu abgeschlossen wurden, deutlich ausgeprägt. Betrachtet man umgekehrt die Anzahl der größten Hersteller, die zusammengenommen mindestens 50 % bzw. 75 % des Marktes abdecken, so ist deren Zahl in den letzten Jahren deutlich gesunken (Abbildung 2 und Abbildung 3). Während 2005 noch 7 bzw. 18 verschiedene Hersteller den 50 %- bzw. 75 %-Marktanteil nach Packungen hielten, sind es 2009 nur noch 4 bzw. 10 Hersteller. Diese Veränderungen zeigen sich in analoger Weise bei Analyse der Umsätze nach Taxe und Apothekeneinkaufpreis. Wiederum waren diese Veränderungen besonders deutlich in den Jahren 2007 bis 2008 ausgeprägt. Anhand der vorliegenden Zahlen kann insbesondere aufgrund des ausgeprägten zeitlichen Zusammenhangs spekuliert werden, dass die beobachtete Abnahme der Herstellervielfalt (Tendenz zur Oligopolisierung) eine Folge der Rabattverträge ist – eine von verschiedenen Seiten geäußerte Erwartung [2 - 4]. Außer den Rabattverträgen können allerdings noch andere, nicht ermittelte Einflüsse gewirkt haben, z. B. ein genereller Trend zur Fusion von Herstellern. In der Auswertung wurde nicht berücksichtigt, dass einige Firmen zum gleichen Konzern/Konsortium gehören (z.B. Ratiopharm/Teva). Unter Berücksichtigung dieser Fusionseffekte jedoch kann angenommen werden, dass die beobachteten Veränderungen sich noch ausgeprägter darstellen würden. Fraglich ist, wie die Arzneimittelversorgung im generischen Markt in einigen Jahren aussehen wird, sollten sich die beobachteten Effekte fortsetzen. Die Einsparpotentiale für die Krankenkassen dürften bei einer weiteren Abnahme der Herstellervielfalt abnehmen. Offen ist auch, inwieweit modifizierte Ausschreibungsregelungen für Rabattverträge (Zuschläge nach Gebietslosen differenziert) oder die Möglichkeit der Mehrkostenzahlung des Patienten bei Wunsch eines nicht-rabattierten Präparats die beobachteten Marktveränderungen abschwächen können, oder ob sich alternative Modelle wie das von den Leistungserbringern favorisierte Garantiepreismodell durchsetzen werden [5].


[1] Heltweg B. et al.: Rabattverträge – ein Bericht aus Kassensicht. Pharmazeutische Zeitung Nr. 17/2010, S. 70-72; verfügbar unter: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-172010/ein-bericht-aus-krankenkassensicht/ (am 28.06.2010).
[2] Generika - Kleine Hersteller ohne faire Chance. Pharmazeutische Zeitung Nr. 3/2010, S. 36; verfügbar unter: www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php (am 28.06.2010).
[3] Greß S. et al.: Preisregulierung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem GKVWettbewerbsstärkungsgesetz. Diskussionsbeitrag aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Universität Duisburg-Essen - Campus Essen - Nr. 170, September 2008; verfügbar unter: https://www.mm.wiwi.uni-due.de/uploads/tx_itochairt3/publications/FINAL_DP170_08-09-22.pdf (am 28.06.2010).
[4] Müller-Bohn T.: Flexibilität durch Zielpreise. Deutsche Apothekerzeitung Nr. 47/2009, S. 78-79; verfügbar unter http://www.dapi.de/fileadmin/mountpoint_for_WS_files/DAPI/Aktuelles/Pressespiegel/DAZ_2009_47_Praxis_Flexibilitaet_durch_Zielpreise_19_11_2009.pdf (am 28.06.2010).
[5] Deutscher Apothekerverband in Kooperation mit dem DAPI und ABDATA: Apotheker Zielpreismodell - ein Garantiepreismodell mit Arzneimittelvielfalt, Mai 2010; Folienpräsentation verfügbar unter http://www.dapi.de/fileadmin/mountpoint_for_WS_files/DAPI/Aktuelles/Ankuendigungen/Garantiepreismodell_-_18.5.pdf (am 29.06.2010).