Der Absatz des Angiotensin II Rezeptorblockers Valsartan bleibt bis zum vierten Quartal 2021 deutlich unter dem Niveau vor den Rückrufen im Jahr 2018 (-46 %)
01.04.2022 - Berlin Enners S
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Angiotensin II Rezeptorblocker (ARB) sind unter den am häufigsten abgegebenen Wirkstoffklassen zur Behandlung von arterieller Hypertonie, Herzinsuffizienz sowie chronischen Nierenerkrankungen. [1] In 2017 erhielten circa 8 Millionen Patient*innen in Deutschland ein ARB; 2.25 Millionen davon Valsartan. [2]  

Ab Juli 2018 riefen pharmazeutische Unternehmen in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) mehr als 35 generische Produkte des ARB Valsartan aufgrund von Kontaminationen mit Nitrosaminen zurück. [3] Zwischen August 2018 bis März 2019 folgten weiteren Rückrufe; diese umfassten weitere generische Valsartan-Produkte sowie Candesartan-, Irbesartan- und Losartan-Generika [5, 6].

Zwischen Juli und November 2021 kam es erneut zu Rückrufen ARB-haltiger Arzneimittel aufgrund von Azidomethyl-Biphenyl-Tetrazol (AZBT) Verunreinigungen; betroffen waren hier Valsartan- und Irbesartan-Produkte. Des Weiteren gab es Rückrufe von Losartan-Produkten im September 2021 aufgrund einer Losartan-spezifischen mutagenen Azido-Verunreinigung. Laufende toxikologische Untersuchungen deuten bei dieser Verunreinigung auf ein geringeres gesundheitliches Risiko im Vergleich zu Nitrosaminen hin (Tabelle). [7]

Im Jahr 2020 veröffentlichte das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e.V. (DAPI) eine Auswertung zur Auswirkung des Rückrufes generischer ARB auf die Verschreibungen von Antihypertensiva in Deutschland, welche zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet wurden [8]. Ausgewertet wurden die Definierten Tagesdosen pro 1.000 GKV-Versicherte pro Tag (Defined Daily Doses per Inhabitants (hier: GKV-Versicherte) per Day, DID) im Zeitraum Januar 2017 bis Dezember 2019. Neben ARB wurden Abgabedaten von Angiotensin-Conversions-Enzym-Inhibitoren (ACE-i), Beta-Blockern (BB) und Calciumkanalblockern (CCB) als plausible Alternativen ausgewertet. 

Nach den Rückrufen verringerten sich die Abgaben von Valsartan deutlich. Von durchschnittlich 39,0 DID im Zeitraum vor den Rückrufen im Juli 2018 auf durchschnittlich 16,9 DID (- 57 %) im vierten Quartal 2019. Gleichzeitig stiegen die durchschnittlichen Abgaben alternativer ARB von 77,7 im zweiten Quartal 2018 auf 121,9 DID im vierten Quartal 2019 (+ 57 %); hauptsächlich aufgrund der gestiegenen Abgaben von Candesartan. Die Abgaben von ACE-i, BB sowie CCB wiesen keine wesentlichen Veränderungen auf. Es lässt sich also vermuten, dass die Mehrheit der betroffenen Patient*innen mit Candesartan als Alternative zu den zurückgerufenen ARB versorgt wurde.  

In einer aktuellen Analyse hat das DAPI den weiteren Verlauf der Abgaben dieser Antihypertensiva in den Jahren 2020 und 2021 beobachtet. Die Abgaben von Valsartan stiegen zwar etwas an, bis auf 21,0 DID im vierten Quartal 2021, verblieben aber weiterhin deutlich unter dem Niveau vor den Rückrufen in 2018 (- 46 % im Vergleich zum Zeitraum vor den Rückrufen). Die Abgaben der alternativen ARB stiegen in diesem Zeitraum auf 134,6 DID (+ 73 % im Vergleich zu Juli 2018); die Abgaben von Candesartan zeigten einen weiteren Anstieg auf 115,3 DID im vierten Quartal 2021. 
Im Vergleich zu Valsartan und Candesartan wiesen Losartan und Irbesartan sehr viel niedrigere Absatzzahlen auf. Die Abgaben von Losartan fielen seit den Rückrufen im Juli 2021 von 8,6 DID auf 5,9 DID (- 39 %) im vierten Quartal 2021. Von Januar 2017 bis Oktober 2019 wies Irbesartan einen relativ konstanten Absatz von durchschnittlich 4,6 DID auf, zeigte dann eine abnehmende Tendenz bis auf 3,4 DID (- 26 %) im Dezember 2021. Ein plötzlicher Abfall zu den Zeitpunkten der Rückrufe war nicht zu erkennen. (Grafik)
Die Abgaben von ACE-i, BB und CCB wiesen weiterhin keine Veränderungen im Abgabeverlauf im Vergleich zum Zeitraum vor den Rückrufen auf.  


[1] Williams B, Mancia G, Spiering W, Agabiti Rosei E, Azizi M, Burnier M, et al. 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. Eur Heart J. 2018;39:3021–3104.
[2] Bundesministerium für Gesundheit. Verunreinigungen von Arzneimitteln mit Valsartan. Berlin: Bundesministerium für Gesundheit; 2018. kleineanfragen.de/bundestag/19/4073.
[3] BfArM. Valsartan: chargenbezogener Rückruf valsartanhaltiger Arzneimittel, deren Wirkstoff von dem chinesischen Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical produziert wurde: Pressemitteilung 5/2018. Bonn, DE: BfArM; 2018. www.bfarm.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/pm5-2018.html.
[4] Banzi R, Bertele’ V. Regulatory response to contaminated valsartan. BMJ. 2018;362:k3855.
[5] Byrd JB, Chertow GM, Bhalla V. Hypertension hot potato—anatomy of the angiotensin-receptor blocker recalls. N Engl J Med. 2019;380:1589–1591.
[6] ABDA. Online-Nachricht: AMK: Liste der (Chargen-)Rückrufe Sartan-haltiger Arzneimittel. Berlin, DE: ABDA; 2019. www.abda.de/fuer-apotheker/arzneimittelkommission/amk-nachrichten/detail/online-nachricht-amk-liste-der-chargen-rueckrufe-sartan-haltiger-arzneimittel/.
[7] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Azido-Verunreinigung in Losartan; 02.11.2021. www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RI/2021/RI-losartan.html
[8] Rudolph, U.M., Enners, S., Kieble, M. et al. Impact of angiotensin receptor blocker product recalls on antihypertensive prescribing in Germany. J Hum Hypertens 35, 903–911 (2021). doi.org/10.1038/s41371-020-00425-z