In den Jahren 2017 bis 2019 hat sich der Anteil nicht verfügbarer Rabattarzneimittel nahezu vervierfacht
18.03.2020 - Berlin Gradl G
Foto: ABDA

Arzneimittelengpässe, die in den letzten Jahren immer häufiger und bei immer mehr Wirkstoffen auftreten, können die adäquate Versorgung von Patienten gefährden und sich negativ auf die Patientensicherheit auswirken [1]. Meldungen zu Lieferengpässen können helfen, die Versorgungslage besser einzuschätzen und angemessen zu reagieren. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stellt seit Mai 2017 auf seiner Webseite Informationen zu aktuellen Lieferengpässen für Humanarzneimittel, exklusive Impfstoffe, in Deutschland zur Verfügung [2]. Sie basierten bisher auf freiwilligen Meldungen pharmazeutischer Unternehmer. Das Paul-Ehrlich-Institut informiert über Lieferengpässe von Impfstoffen [3]. Nach der Definition des BfArM ist ein Lieferengpass eine über voraussichtlich 2 Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann. Demgegenüber ist die Analyse nicht verfügbarer Rabattarzneimittel in GKV-Rezeptabrechnungsdaten anhand des Sonderkennzeichens ‚Abweichende Abgabe‘ möglich. Eine solche Auswertung betrachtet Fälle, bei denen keines der möglichen Rabattarzneimittel lieferbar war und statt eines rabattierten Arzneimittels ein alternatives Arzneimittel mit den gleichen Aut idem - Kriterien abgegeben wurde wie das verordnete. Bei der Zählung abgegebener Packungen bleibt jedoch unberücksichtigt, dass jede einzelne Packung für mehrere gleichzeitig nicht verfügbare Rabattarzneimittel stehen kann. Ebenso nicht berücksichtigt werden Fälle, in denen es keinen Rabattvertrag gibt oder komplizierte Fälle, in denen durch Lieferengpässe auf Alternativen umgestellt werden muss, die die Ausstellung eines neuen Rezeptes erfordern. Außerdem unberücksichtigt bleiben Fälle, bei denen der Patient gar nicht versorgt werden konnte. Infolgedessen stellt eine Auswertung nicht verfügbarer Rabattarzneimittel eine starke Unterschätzung der Gesamtheit nicht verfügbarer Arzneimitteln dar.

Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e. V, (DAPI) hat eine Auswertung der Abgaben von Fertigarzneimitteln zulasten der GKV mit dem Sonderkennzeichen ‚Abweichende Abgabe‘ mit dem Hintergrund ‚Nichtverfügbarkeit eines rabattbegünstigten Fertigarzneimittels‘ für die Jahre 2017 bis 2019 durchgeführt. Dabei wurden die Begründungen 2 und 4 zusammen als „Nichtverfügbarkeit“ ausgewertet (zu den Begründungen siehe Infobox). Es wurden sowohl die Anzahl Packungen mit „Nichtverfügbarkeit“ insgesamt bestimmt, als auch die zehn Wirkstoffkombinationen, bei denen am häufigsten „Nichtverfügbarkeit“ auf dem Rezept vermerkt wurde. Zusätzlich wurde für diese zehn Wirkstoffkombinationen der Anteil ihrer Abgaben an allen Abgaben mit der jeweiligen Wirkstoffkombination ermittelt. Diese Werte geben Aufschluss darüber, wie bedeutsam die Nichtverfügbarkeiten für die betroffenen Wirkstoffkombinationen waren.

Der Anteil nicht verfügbarer Rabattarzneimittel, gemessen an abgegebenen Packungen, stieg von 0,7 % im Jahr 2017 auf 2,8 % im Jahr 2019 (siehe Tabelle). Dies ergibt einen Anstieg der Anzahl der abgegebenen Packungen mit „Nichtverfügbarkeit“ um den Faktor 3,8. In allen drei Jahren nahmen Sartane eine zentrale Rolle in der Liste der nichtverfügbaren Rabattarzneimittel ein, wobei der Anteil sich für Valsartan von 7,1% im Jahr 2017 auf 33,8% erhöhte (siehe Tabelle). Zu den zehn häufigsten Wirkstoffkombinationen mit „Nichtverfügbarkeit“ des Jahres 2019 gab es lediglich für Valsartan, Candesartan, Venlafaxin und Etoricoxib auch Lieferengpassmeldungen in der Datenbank des BfArM im selben Jahr. Im Jahr 2018 betraf die Übereinstimmung nur Valsartan und die Kombination von Valsartan und Diuretika, während es zu den zehn häufigsten Wirkstoffkombinationen mit „Nichtverfügbarkeit“ im Jahr 2017 derzeit keine recherchierbare Meldung zu Lieferengpässen in 2017 mehr in der BfArM-Datenbank gibt. Dieser Vergleich sowie die Berücksichtigung der Limitationen der Auswertung der „Nichtverfügbarkeiten“ machen deutlich, wie schwierig eine Quantifizierung von Lieferengpässen ist, die mit Sekundärdaten kaum gelingen kann. Nichtsdestoweniger stellt der starke Anstieg der Abgaben mit „Nichtverfügbarkeit“ in den letzten drei Jahren ein Abbild der wachsenden Lieferengpassproblematik dar.

 
Infobox

Begründungen für das Sonderkennzeichen ‚Abweichende Abgabe‘ laut Technischer Anlage 1 zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V, anzuwenden bis 30. Juni 2019:
2 = Nichtverfügbarkeit eines rabattbegünstigten Arzneimittels
4 = Nichtverfügbarkeit eines rabattbegünstigten und eines importierten Arzneimittels

Begründungen für das Sonderkennzeichen ‚Abweichende Abgabe‘ laut Technischer Anlage 1 zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V, anzuwenden seit 1. Juli 2019:
2 = Nichtverfügbarkeit eines rabattbegünstigten Fertigarzneimittels in allen Auswahlbereichen
4 = Nichtverfügbarkeit eines rabattbegünstigten Fertigarzneimittels sowie eines preisgünstigen Fertigarzneimittels im generischen Markt oder Nichtverfügbarkeit eines rabattbegünstigten Fertigarzneimittels sowie Abweichung von der Importabgabe im importrelevanten Markt aufgrund von Nichtverfügbarkeit


[1] Goebel R, Ganso M, Zagermann-Muncke P, Said, A, Schulz M: Arzneimittelengpässe - Gefahr für die Patientensicherheit, PHARM. ZTG. 162 (2017); 2065-67

[2] https://www.bfarm.de/DE/Service/Presse/Themendossiers/Lieferengpaesse/_node.html (letzter Zugriff am 12.03.2020)

[3] https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/lieferengpaesse/lieferengpaesse-node.html (letzter Zugriff am 12.03.2020)