3 % der Tamoxifenpatienten...
01.04.2010 - Eschborn Schüssel K
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3 % der Tamoxifenpatienten erhielten in 2009 zusätzlich Paroxetin oder Fluoxetin verordnet.

Tamoxifen ist ein selektiver Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM), der zur Behandlung des Mammakarzinoms eingesetzt wird (1). Der Wirkstoff liegt als Prodrug vor und wird erst in der Leber über das Enzym CYP2D6 in seine aktive Form umgewandelt. Nach Auswertungen der DAPI-Datenbank, welche Abrechnungsdaten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) aus über 80% der öffentlichen Apotheken in Deutschland umfasst, erhielten im Jahr 2009 rund 70.000 GKV-Patienten mindestens zwei Verordnungen über Tamoxifen.

Während einer hormonantagonistischen Therapie, aber auch diagnosebedingt, entwickeln onkologische Patienten häufig eine Depression, die mit entsprechenden Antidepressiva wie den selektiven Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) therapiert wird. Außerdem werden SSRI im off-label-use bei Hitzewallungen unter einer Tamoxifenbehandlung eingesetzt (4).  Die SSRI hemmen jedoch neben anderen Cytochrom-P450-Isoenzymen ebenfalls CYP2D6, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Durch die CYP2D6-Hemmung ist eine verminderte Umwandlung von Tamoxifen in die aktive Form möglich. Ein besonders potenter und der einzig irreversible CYP2D6-Inhibitor innerhalb der SSRI ist Paroxetin (3).

In Anlehnung an eine retrospektive Kohortenstudie aus Kanada, die einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paroxetin und dem Versagen der Tamoxifenbehandlung gezeigt hat (4), wertete das DAPI aus, wie viele Patienten, die im Jahr 2009 mindestens zweimal Tamoxifen zu Lasten der GKV verordnet bekamen, zwischen beiden Verordnungen zusätzlich ein SSRI oder einen anderen CYP2D6-Hemmer erhielten.

In der beobachteten Studienpopulation wurden 13,4 % der Patienten zusätzlich mit einem SSRI behandelt, davon 8,49 % mit Citalopram, welches in der kanadischen Studie keinen Hinweis auf eine Beeinflussung der Tamoxifentherapie zeigte. Die Anteile der mit Paroxetin bzw. Fluoxetin therapierten Patienten belaufen sich auf 1,50 % und 1,68 %.

Auch in anderen Arzneistoffklassen finden sich potente CYP2D6-Inhibitoren. In der untersuchten Tamoxifen-Patientengruppe wurden 0,22 % der Patienten zusätzlich mit Bupropion, 0,05 % mit Chinidin, 1,95 % mit Duloxetin und 1,65 % mit systemisch eingesetztem Terbinafin behandelt.

Insgesamt erhielten 6,0 % der Tamoxifen-Patienten einen der untersuchten potenten CYP2D6-Inhibitoren. Hochgerechnet auf die GKV-Versicherten in Deutschland sind das mehr als 5.000 Fälle pro Jahr, was durchschnittlich einem Patienten in jeder vierten Apotheke entspricht. Würden die privat versicherten Patienten und weiterhin der Arzneimittelgebrauch außerhalb der ambulanten GKV-Verordnungen berücksichtigt (z.B. Verordnungen von Bupropion zur Raucherentwöhnung auf Privatrezept), lägen die geschätzten Fallzahlen noch etwas höher.


[1] Fachinformation Nolvadex®  20 mg Filmtabletten, Dezember 2007, AstraZeneca
[2] Risikomeldung des BfArM, Tamoxifen: Wechselwirkung mit SSRIs, online unter http://www.bfarm.de, erstellt am 18.03.2010
[3] Stellungnahme der AMK: Tamoxifen nicht zusammen mit Paroxetin einsetzen, Pharm. Ztg., 9, 4. März 2010
[4] Kelly et al., Selective serotonin reuptake inhibitors and breast cancer mortality in women receiving tamoxifen: a population based cohort study, BMJ 2010; 340:c693