245.000 Patienten mit Glitazonen behandelt
01.09.2010 - Eschborn Czeche S
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Mindestens 245.000 Typ 2 Diabetiker wurden im Jahr 2009 mit Rosiglitazon bzw. Pioglitazon behandelt.

Rosiglitazon (Avandia®) und Pioglitazon (Actos®) gehören zur Substanzklasse der Thiazolidindione (Glitazone). Sie senken den Blutzuckerspiegel durch Erhöhung der Insulin-Sensitivität am Fettgewebe, an der Skelettmuskulatur und in der Leber. Sie sind als "second-line"-Therapeutika zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 seit dem Jahr 2000 auf dem deutschen Markt zugelassen [1,2].

Beide Substanzen werden sowohl als orale Monotherapie [3,4], insbesondere bei übergewichtigen Patienten, als auch als Zweierkombination mit Metformin (Avandamet®[Rosiglitazon]; Competact® [Pioglitazon]) oder Glimepirid (Avaglim®[Rosiglitazon]; Tandemact® [Pioglitazon]) bei unzureichender Blutzuckerkontrolle unter Monotherapie eingesetzt. Sie können auch als Dreierkombination mit Metformin und einem Sulfonylharnstoff verabreicht werden. Pioglitazon kann zudem auch bei Patienten mit Typ 2 Diabetes in Kombination mit Insulin angewendet werden, wenn durch Insulin allein keine ausreichende Blutzuckersenkung erreicht wird [5].

Die Behandlung von Typ 2 Diabetikern mit Glitazonen ist jedoch auf Grund des Nebenwirkungsprofils nicht unumstritten. Bereits im Frühjahr 2007 machte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft in Rote-Hand-Briefen auf das erhöhte Frakturrisiko bei Frauen unter Langzeittherapie mit Rosi- bzw. Pioglitazon aufmerksam [6,7]. Auch das vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) resümierte in seinem Abschlussbericht vom 26. Januar 2009, dass verlässliche Aussagen über den langfristigen Nutzen oder Schaden der Glitazone nur eingeschränkt möglich sind. Dem Vorteil von seltener auftretenden Unterzuckerungen stehen Nachteile wie das vermehrte Auftreten von Herzinsuffizienz und Knochenbrüchen gegenüber. Auch liegen keine ausreichenden Studien über Langzeitanwendungen von Glitazonen vor [8].

Im Juni dieses Jahres hat der G-BA einen weitgehenden Verordnungsausschluss der Glitazone aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beschlossen.

Mit Hilfe der DAPI-Datenbank, welche GKV-Abrechnungsdaten von mehr als  80 % der öffentlichen Apotheken in Deutschland umfasst, wurde anhand der mit Glitazonen behandelten Patienten ermittelt, wie sich diese seit ihrer Zulassung auf dem deutschen Markt etabliert haben.

Die Zahl der mit Rosiglitazon in Mono- bzw. Kombinationstherapie behandelten Patienten steigt bis zum Jahr 2005 auf ein Maximum von 118.776 Personen an. Vermutlich bedingt durch die Risikomeldungen zur erhöhten Inzidenz von Knochenbrüchen bei Frauen und zu vermehrten Myokardinfarkten [9], ist in den nachfolgenden Jahren bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes 2009 ein deutliches Absinken der Anzahl Patienten, die mit Rosiglitazon behandelt wurden, um knapp 28 % gegenüber 2005 zu beobachten.

Im Gegensatz zu Rosiglitazon stieg die Zahl der mit Pioglitazon behandelten Patienten im gesamten Beobachtungszeitraum kontinuierlich an. Die im Vergleich zu Rosiglitazon günstigere Bewertungen von Pioglitazon im Hinblick auf Mortalität sowie Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko sind vermutlich für den starken Anstieg von 2006 – 2008 um 42 % mitverantwortlich [10]. Die Zahl der Patienten erreicht in 2009 ein Maximum von 158.911 Patienten, wobei die Steigerung gegenüber 2008 nur noch geringfügig ist - mutmaßlich im Zusammenhang mit dem Abschlussbericht des IQWiG.

Um den ÄrztInnen und PatientInnen ausreichend Zeit zur medikamentösen Umstellung zu geben, wären die Glitazone ab Januar 2011 nicht mehr verordnungs- und erstattungsfähig, sofern das BMG den Beschluss des G-BA nicht beanstandet.


[1] WHO ATC/DDD Index. Verfügbar unter http://www.whocc.no/atc_ddd_index/ (am 19.08.2010).
[2] Matthaei S, Häring HU. Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2. Diabetologie 2008; 3 Suppl 2: S157–S161
[3]  Fachinformation Rosiglitazon
[4] Fachinformation Pioglitazon. Verfügbar unter https://www.fachinfo.de/suche/fi/005249 (am 19.08.2010)
[5] ABDA-Datenbank Stand: 15.08.2010
[6] Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Rote-Hand-Brief zu Rosiglitazon.  Verfügbar unter http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/Archiv/2007/56-20070307.pdf  (am 19.08.2010)
[7] Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Rote-Hand-Brief zu Pioglitazon-haltigen Arzneimitteln (Actos®, Competact®, Tandemact®). http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/Archiv/2007/56-20070307.pdf  (am 19.08.2010)
[8] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Glitazone zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2, Abschlussbericht. http://www.iqwig.de/download/A05-05A_AB_Glitazone_zur_Behandlung_des_Diabetes_mellitus_Typ_2.pdf (am 19.08.2010)
[9] Nissen et al., Effect of Rosiglitazone on the Risk of Myocardial Infarction and Death from Cardiovascular Causes. NEJM 2007; 356:2457-2471
[10] Dormandy et al. Secondary prevention of macrovascular events in patients with type 2 diabetes in the PROactive Sutdy (PROspective pioglitAzone Clinical Trial In macroVascular Events): a randomised controlled trial. Lancet. 2005;366(9493):1279-1